Konzeption des Waldorfkindergartens Coburg

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Konzeption des Waldorfkindergartens Coburg

Inhalt

1.      Struktur und Rahmenbedingungen unserer Einrichtung. 3

1.1.       Art der Einrichtung. 3

1.2.       Träger der Einrichtung. 3

1.3.       Lage der Einrichtung. 3

1.4.       Aufgaben / Ziele der Einrichtung. 3

2.      Pädagogik. 4

2.1.       Überblick. 4

2.1.1.        Rhythmus und Wiederholung. 4

2.1.2.        Vorbild und Nachahmung. 5

2.2.       Bildungs- und Erziehungsziele. 5

2.2.1.        Allgemeine Ziele. 5

2.2.2.        Ziele für die Elementarstufe. 6

2.3.       Bildungsbereiche im Kindergarten. 9

2.3.1.        Allgemeine Grundsätze. 9

2.3.2.        Das freie Spiel als entwicklungsfördernde Aktivität 10

2.3.3.        Bewegung, Leibesentwicklung und Gesundheit 11

2.3.4.        Sprachentwicklung. 13

2.3.5.        Rhythmisch-musikalisch-künstlerische Bildung. 14

2.3.6.        Grundlagen mathematisch-naturwissenschaftlicher Bildung. 16

2.3.7.        Bildung sozialer Fähigkeiten. 18

2.3.8.        Grundlagen im Kindergarten für Medienkompetenz. 19

2.4.       Ausschnitt aus unserem pädagogischen Konzept der Waldorfkrippe. 20

2.4.1.        Erlernen von Gehen, Sprechen und Denken. 21

2.4.2.        Sinnespflege. 22

2.4.3.        Pflege des kleinen Kindes. 23

2.4.4.        Bindung und Eingewöhnung. 23

2.4.5.        Tagesablauf 24

2.4.6.        Wochen- und Jahresablauf 24

2.5.       Pädagogische Praxis. 24

2.5.1.        Tagesablauf 24

2.5.2.        Der Wochenlauf 26

2.5.3.        Der Jahreslauf 26

1.  Struktur und Rahmenbedingungen unserer Einrichtung

1.1. Art der Einrichtung

Wir sind ein Waldorfkindergarten. Die Waldorfpädagogik ist eine durch Rudolf Steiner (1861-1925) begründete Pädagogik auf der Grundlage der ebenfalls von ihm entwickelten anthroposophischen Weltanschauung. Unseren Kindergarten besuchen Kinder von einem Jahr bis zu ihrer Einschulung. Es gibt mehrere Kindergartengruppen und eine Krippengruppe.

Die Öffnungszeiten des Kindergartens sind täglich von 7.00 bis 17.00 Uhr.

1.2. Träger der Einrichtung

Träger des Waldorfkindergartens Coburg ist der Förderverein Waldorfkindergarten Coburg e. V., vertreten durch den Vorstand, der ehrenamtlich tätig ist.

1.3. Lage der Einrichtung

Der Waldorfkindergarten befindet sich in Beiersdorf bei Coburg, Callenberg 12, 96450 Coburg. Der Kindergarten ist auf dem Callenberg in unmittelbarer Nähe zur Waldorfschule angesiedelt, direkt daneben ist das Krippengebäude. Um das Gebäude, in dem sich die Sonnen-, Sternen- und Mondengruppe befinden, ist Grünfläche mit vielen Bäumen, ein eingezäunter Gartenbereich, in dem die Kinder einen großangelegten Sandkasten, eine Nestschaukel, eine Rutsche und diverse andere Spielmöglichkeiten finden. Es führt ein geschotteter Weg zum Kindergarten, der mit dem Auto befahrbar ist. Auf der Wiese schräg gegenüber dem Kindergarten steht eine Jurte.

In 10 Minuten erreichen wir zu Fuß ein Waldstück oder den Callenberger Forst.

Der Stadtbus ist in wenigen Minuten zu Fuß zu erreichen. Neben dem Kindergartenparkplatz führt ein schmaler Weg den Berg hinunter in eine kleine Wohnsiedlung.

Bei der architektonischen Gestaltung standen die Bedürfnisse der Kinder im Vordergrund. Es wurde auf Baubiologie der Materialien und Energien geachtet. Sowohl beim eigentlichen Bauwerk als auch beim Innenausbau wurden natürliche und traditionsreiche Materialien eingesetzt.

Der Kindergarten in Beiersdorf wurde 1988 gegründet.

1.4. Aufgaben/ Ziele der Einrichtung

Das pädagogische Konzept stützt sich auf fünf Leitsätze:

  1. 1.Lernen lassen statt Belehren
  2. 2.Bedingungsloses Angenommensein – das Kind zeigt uns, was es braucht
  3. 3.Lebensbejahende Grundeinstellung wird Lebensmut
  4. 4.Ein gesunder Körper, eine gesunde Umgebung als Grundlage für die gesunde Entwicklung des Kindes
  5. 5.Durch Beobachtung und Rückschau zum kindgerechten Handeln

2.  Pädagogik

2.1. Überblick

Am Anfang des letzten Jahrhunderts stand der Ruf nach einer neuen, menschengemäßen Pädagogik. Dieser Ruf erging auch an Rudolf Steiner, der aus der anthroposophischen Bewegung heraus die Waldorfpädagogik und ihre umfassende Menschenkunde an die Menschen weitergab und so eine neue „Erziehungskunst“ entwickelte, die bis in die heutige Zeit wirkt. Unsere Erziehungspraxis in Waldorfkrippe und Kindergarten Coburg basiert auf der Menschenkunde Rudolf Steiners und orientiert sich an den Entwicklungsstufen des Kindes. Rudolf Steiners Erziehungsmotto fasst er selbst in folgenden Worten zusammen:

„Das Kind in Ehrfurcht empfangen, in Liebe erziehen und in Freiheit entlassen.“

Die Erziehung zur Freiheit ist ein hohes Ideal und es bedarf einer genauen Kenntnis der kindlichen Entwicklung, damit dieses Ziel Realität werden kann. Die Erziehung des kleinen Kindes basiert auf zwei bedeutenden Gesichtspunkten: Einer davon ist Rhythmus und Wiederholung. Rhythmen wie Einatmen und Ausatmen, Tag und Nacht und der Wechsel der Jahreszeiten bestimmen unser Leben. Der Tagesablauf im Kindergarten wird ebenso bewusst gegliedert wie der Ablauf der Woche und des ganzen Jahres. Der christliche Jahreslauf gibt die übergeordnete Orientierung für das Kindergartenjahr. Diese sich wiederholenden Rhythmen erleben die Kinder in altersgemischten Gruppen. Im kontinuierlichen Wechsel von konzentriertem und bewegtem Tun schaffen wir den Kindern eine Atmosphäre von Sicherheit und Vertrauen.

Der zweite bedeutende Gesichtspunkt für die Erziehung des kleinen Kindes ist das Prinzip von Vorbild und Nachahmung. In den ersten Lebensjahren eignet sich das Kind Fähigkeiten vor allem durch Nachahmung an. Alle Sinneseindrücke werden von ihm ungefiltert aufgenommen und dringen tief in seine Leiblichkeit ein. Deshalb ist es unser Bemühen dem im Werden und Wachsen begriffenen Kind durch positive Vorbilder und natürlich sinnliche Erfahrungen zur bestmöglichen Entwicklung zu verhelfen.

2.1.1.       Rhythmus und Wiederholung

Rhythmus ist eine gleichmäßig gegliederte Bewegung jeweils zweier Kräfte (Gegenpole), durch deren Zusammenwirken ein Zustand der Ausgeglichenheit bewirkt wird. Rhythmen finden wir in der Natur, z.B. beim Wechsel von Tag und Nacht, den Jahreszeiten, Ebbe und Flut usw. und beim Menschen beispielsweise beim Herzschlag oder der Atmung. Rudolf Steiner spricht von dem gut funktionierenden rhythmischen System als dem „Urbild der Gesundheit“. Er sagt: „Rhythmus ist Leben, er ist der Träger unserer Gesundheit.“

Je rhythmischer das Leben des kleinen Kindes verläuft, desto gesünder wird es sich entwickeln. Durch die Wiederholung der Rhythmen erlangen die Kinder Sicherheit und Urvertrauen in die Welt. Aus diesem Grunde legen wir größten Wert auf einen stets ähnlich wiederkehrenden Tages-, Wochen- und Jahresrhythmus, auf ein regelmäßig wiederkehrendes Angebot an Märchen und Geschichten, Fingerspielen, Reimen und Liedern. Auch die sich wiederholenden künstlerischen, handwerklichen und hauswirtschaftlichen Tätigkeiten gehören dazu, die für das Kind durchschaubar und nachvollziehbar sind. Dies richtet sich in jeder Gruppe nach den individuellen Bedürfnissen und dem Entwicklungsstand der Kinder.

2.1.2.       Vorbild und Nachahmung

Es liegt in der Natur des Kindes, dass es in bedingungslosem Vertrauen dem Vorbild des Erwachsenen folgen möchte.Das äußere Verhalten und die innere Haltung der Erwachsenen bilden die erste und elementarste Lernumgebung des kleinen Kindes, die in seiner Biographie wesentliche Spuren hinterlässt. Seine Nachahmung erschöpft sich nicht im Kopieren von Handlungen. In der Nachahmungs­tätigkeit äußert sich stets auch ein freudiges Mitgehen mit den Aktivitäten des Erwachsenen, ein sich identifizieren mit dem Vorbild. Deshalb haben unter anderem Interesse an der Welt, Freude am Dasein, moralische Integrität usw. nicht nur ihren Wert für den Erwachsenen, der sie pflegt, sie haben ihren besonderen Wert auch für das Kind, das sie erlebt. Es zählt nicht nur was der Erwachsene weiß, sondern was er ist und tut. Mehr als durch alle äußeren Maßnahmen wird der Erwachsene zum „Bildner“ des Kindes, durch seine Persönlichkeit. Die Wesensbegegnung mit dem Erziehenden wird zum tragenden Grund für das Lernen des Kindes.

„Erziehung ist in erster Linie Selbsterziehung des Erziehers.“ Denn nur durch Selbsterziehung und immer wieder bewusste Reflexion der eigenen Tätigkeit kann der Vorbildaufgabe Rechnung getragen werden.

2.2. Bildungs- und Erziehungsziele

2.2.1.       Allgemeine Ziele

Achtung vor der Individualität des Kindes:

Waldorfpädagogik sieht in jedem Kind – ungeachtetseiner sozialen, ethnischen oder religiösen Herkunft – eine einmalige, unantastbare Individualität. Sie bringt aus ihrer Vergangenheit ein ganz persönliches Schicksal in das jetzige Erdenleben mit, verbunden mit zunächst noch verborgenen und dem Kind selbst nicht bewussten Impulsen für die Zukunft, die erst im späteren Leben nach und nach hervortreten.

Partizipation und Begleitung des Kindes in die Freiheit:

Erziehung und Bildung haben die Aufgabe, das Kind auf seinem Wege der Selbstfindung zu unterstützen, damit es die in ihm liegenden Fähigkeiten und Intentionen entdecken und entfalten kann. Erziehung und Bildung unterstützen diesen Weg zur Freiheit des Menschen. Im Abschnitt der pädagogischen Praxis wird deutlich, dass gerade im Freien Spiel und den künstlerischen Tätigkeiten die Kinder die Möglichkeit haben, sich in Selbstbestimmung, Selbstbehauptung und Selbstregulation zu üben.

Ausbildung der Sozialfähigkeit:

Waldorfpädagogik möchte Kinder und Jugendliche mit den Fähigkeiten ausstatten, die notwendig sind, um in der sozialen Gemeinschaft fruchtbar wirken zu können. Respekt für den anderen Menschen, Empathiefähigkeit und demokratisches Bewusstsein gehören ebenso dazu wie moralische Urteilsfähigkeit, Initiativfreude und die Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung. Im Blick auf die sich entwickelnde Gesellschaft unserer Zeit sieht Waldorfpädagogik eine wichtige Aufgabe in der Pflege des vorurteilsfreien Interesses für den anderen Menschen, so dass Offenheit und Verständnis entstehen können.

Veranlagung einer umfassenden Gesundheit:

Waldorfpädagogik sieht ein vorrangiges Ziel ihrer Bemühungen in der Förderung und Sicherung einer tragfähigen Gesundheitsbasis. Hierbei geht es neben der Pflege der leiblichen Grundlagen, wie zum Beispiel durch gesunde Ernährung und ausreichend Bewegung, vor allem um die individuelle Durchdringung der gesamten leiblich-, seelisch- und geistigen Organisation.

Gesundheitsförderung im Sinne der Salutogenese wird als eine eminent pädagogische Arbeit begriffen, weil die Gesundheitsentwicklung des Kindes in hohem Maße von Faktoren abhängt, die Erwachsene beeinflussen können. Diese sind unter anderem die materielle und seelische Umgebung, das soziale Verhalten der Pädagogen, ihr methodischer Ansatz, sowie die von ihnen bewirkte Lernatmosphäre.

Zeit lassen für nachhaltige Entwicklung:

Unser pädagogisches Handeln steht in unmittelbarer Verantwortung für die langfristige Entwicklung des heranwachsenden Menschen. In der Krippen-, Kindergarten- und Schulzeit werden die Grundlagen für eine gesunde Entwicklung gelegt. Waldorfpädagogik bemüht sich deshalb, alle Kräfte des jungen Menschen – vonden leiblichen bis hin zu den intellektuellen und sozialen Fähigkeiten – zufördern.Nachhaltigkeit ist ihr Anliegen, nicht Schnelligkeit. Jedem Kind wird die Zeit eingeräumt, die es für seine individuelle Entwicklung braucht.

Ganzheitliche Bildung und individuelle Förderung:

Der heranwachsende junge Mensch soll seine individuellen Impulse und Fähigkeiten entfalten können.Waldorfpädagogik beinhaltet eine ganzheitliche, breite Förderung der Fähigkeiten, die jedem Kind die Möglichkeit gibt, sich gemäß seinen individuellen Anlagen zu entwickeln. Die Pädagogen streben eine möglichst enge Zusammenarbeit mit den Eltern oder Erziehungsberechtigten an.

2.2.2.       Ziele für die Elementarstufe

Eigener Bildungsauftrag für die Elementarstufe:

Auf Grund ihres Verständnisses entwicklungsphysiologischer und entwicklungspsychologischer Gesetzmäßigkeiten sieht Waldorfpädagogik für die frühkindliche Erziehung wie auch für den Bildungsauftrag von Krippe und Kindergarten ganz anders geartete Aufgaben als für die darauffolgende Schulzeit. Nicht das Herausfordern reflektorischer und intellektueller Möglichkeiten steht im Vordergrund, sondern das Eintauchen in vielfältig differenzierte Tätigkeiten und sinnlich konkrete Erfahrungen, durch die das Kind seine Erfahrungswelt in unmittelbarer, aktiver Teilnahme erweitert und vertieft. In diesem Zusammenhang kommt dem kindlichen Freispiel eine große Bedeutung zu. Ferner gilt es, die Nachahmungsfähigkeit des Kindes gegenüber dem, was die Erwachsenen durch bewusste, achtsame Tätigkeit und ihr Verhalten vorleben, anzuregen und zu pflegen.Nachahmung ist für das Lernen in diesem Alter fundamental.

Pädagogische Gestaltung des Lebensumfeldes:

Das Kind trägt in sich einen Quell unerschöpflicher Aktivität.Das schrittweise Ausbilden der sensorischen und motorischen Fähigkeiten, mit denen es sich in der Welt bewegen und die Welt erkunden kann, ist dem Kind selbst ein Bedürfnis, dem es mit größter Intensität nachkommt. Es arbeitet sich gewissermaßen von selbst in die Welt hinein und entwickelt dadurch seine Fähigkeiten. Da aber die heutige Lebenswelt vielfach nicht mehr das nötige Maß an Anregungen und Betätigungsmöglichkeiten bietet, die das Kind vorfinden müsste, um sich selbst bilden zu können, gewinnt die pädagogische Gestaltung des Lebensumfeldes des Kindes zunehmend an Bedeutung. Eltern und Kindertagesstätten haben die Aufgabe, die äußeren und inneren Bedingungen zu schaffen, die es dem Kind von Geburt an ermöglichen, sich gemäß seinen individuellen Möglichkeiten und Fähigkeiten zu entwickeln.

Verlässliche Beziehungen und positive Lernatmosphäre:

Eines der Hauptbedürfnisse des Kindes, damit es körperlich wie auch seelisch und geistig gedeihen kann, ist die liebevolle Zuwendung der Erwachsenen, verbunden mit der Bereitschaft, als Bezugsperson eine vertrauensvolle und verlässliche Bindung zu dem Kind aufzubauen. Die positive emotionale Umgebung bildet den entscheidenden Nährboden für gesunde Entwicklung, für Lerneifer und Weltinteresse und gehört somit zu den Gestaltungsaufgaben aller am Erziehungsprozess Beteiligten.

Vorbildfunktion der Erwachsenen:

Das Kind braucht auf allen Gebieten Vorbilder, an denen es sich orientieren und die es nachahmen kann. Das äußere Verhalten und die innere Haltung der Erwachsenen bilden die erste und elementarste Lernumgebung des kleinen Kindes, die wesentliche Spuren hinterlassen. Durch Selbsterziehung und bewusste Reflexion der eigenen Tätigkeit können Erzieherinnen und Erzieher ihrer Vorbildaufgabe gerecht werden.

Veranlagung von Kohärenz und Resilienz:

Waldorfpädagogik trifft sich hier mit den Ergebnissen der modernen Salutogenese-Forschung. Diese sieht die Grundlagen menschlicher Gesundheit nicht in erster Linie auf biologischem Felde, sondern in den seelischen und geistigen Fähigkeiten, die ein Mensch erwirbt und die ihm helfen, Krisen des Lebens zu bewältigen.Hierzu zählen vor allem die Kohärenz (seelisches Verbundensein mit der Welt) und die Resilienz (Kraft zum Bejahen und Meistern von Widerständen). Beide sind nicht als angeborene Begabungen zu verstehen, sondern als Fähigkeiten, die zunächst durch das Vorbild veranlagt und später durch Selbsterziehung des erwachsen gewordenen Menschen weiterentwickelt werden können.

Pädagogische Gesundheitsförderung:

Gesundheit im Sinne der Waldorfpädagogik

Der waldorfpädagogische Ansatz beinhaltet die Gesundheitsförderung im Sinne des Salutogenese-Modells. Dieses Modell besteht aus dem seelischen und dem leiblichen Aspekt und der Resilienzforschung.

Seelisch soll die Welt für das Kind verstehbar, bedeutsam, wertvoll, sinnvoll und handhabbar gestaltet werden. Umgesetzt wird das im Waldorfkindergarten vor allem durch das Vorbild des Erziehers, durch das Durchführen von sinnvollen praktischen Tätigkeiten und einer achtsamen Haltung gegenüber sich selbst, seinen Mitmenschen und der Umwelt.

Für den leiblichen Aspekt bedeutet es dem Kind eine gleichbleibende, sichere Umgebung zu geben, prozessorientiert zu arbeiten, mit Belastungen umzugehen und als Grundlage eine gesunde Ernährung und Bewegung im Freien. Von hoher Bedeutsamkeit ist es, Sinneseindrücke zu schaffen, besonders die Körpersinne betreffend, d.h. Gleichgewichts-, Bewegungs-, Lebens- und Tastsinn. Diese bilden die Basis für eine gesunde Entwicklung und die Grundlage für die weltlichen (Geruchs-, Geschmacks-, Seh- und Wärmesinn) und geistigen (Gedanken-, Sprach-, Hör- und Ich-Wahrnehmungssinn) Sinne.

Die Resilienzforschung bedeutet die Erforschung und Förderung der Widerstandskraft. Diese beinhaltet, neben individuellen Schutzfaktoren wie einem ausgeglichenen Temperament und dem Ansatz der Aktivierung des eigenen Tuns, die religiöse Bindung. Die Kinder an den christlichen Jahresfesten teilhaben zu lassen, mit ihnen die Werte und Rituale der Jahreszeiten zu durchleben und die Bedeutsamkeit von heiligen Momenten erleben zu lassen, ist für uns von besonderer Bedeutung. Zudem sollen die Kinder sich in ihren Kompetenzen und ihre Selbstwirksamkeit erleben und so Selbstvertrauen gewinnen, um eine positive Lebenseinstellung zu entwickeln und widerstandsfähig zu werden. Neben der Selbstkompetenz ist die Entwicklung sozialer Kompetenzen wichtig: das Leben in der Gemeinschaft, jeder einzelne als Teil der Gruppe und die Achtung voreinander.

Diese drei Bestandteile sind eine wichtige Ergänzung zum kognitiven Bereich und elementar für eine gesunde ganzheitliche Entwicklung von Körper, Geist und Seele.

Entwicklungs-Metamorphosen und altersgemäßes Lernen:

Waldorfpädagogik sieht in der Entwicklung des Kindes keinen linearen Prozess, der ein möglichst frühes Trainieren der für das Erwachsenenalter angestrebten Fähigkeiten sinnvoll erscheinen lassen würde, sondern eine Abfolge völlig eigenständiger Entwicklungsphasen, die sich als Schritte der Verwandlung (Metamorphose) darstellen. Das bedingt, dass für den Elementarbereich pädagogisch ganz andere Bedingungen geschaffen werden müssen, als für den Primärbereich. Für das kleine Kind ist das Bedürfnis nach leiblich-körperlicher Erfahrung hervorstechendes Merkmal, das geprägt ist vom impliziten Lernen. Waldorfpädagogik bemüht sich, diesen anthropologischen Entwicklungsgesetzmäßigkeiten bis in alle Details der Umgebungsgestaltung hinein Rechnung zu tragen.

Vom Lernen mit der Hand zum Lernen mit dem Kopf:

Waldorfpädagogik folgt dem Grundsatz, dass die kognitiven und intellektuellen Fähigkeiten des Schulkindes über konkrete Tätigkeiten des Kleinkindes veranlagt werden, über das Erwerben von Geschicklichkeit und durch das aktive Miterleben sinnvoller Arbeits- und Lebensprozesse. Dem Lernen mit dem Kopf geht das Lernen mit Herz, Hand und Fuß voraus. Wurde dem Kind ausreichend Gelegenheit gegeben, sich durch unmittelbar körperliche, sensorische und motorische Tätigkeiten mit den Gegenständen, Vorgängen und Tatsachen seiner Lebensumwelt vertraut zu machen und sich mit ihnen auch in seiner Gefühlssphäre innig zu verbinden, stärkt das im salutogenetischen Sinne die Kohärenzerfahrung und bildet die Basis für ein künftiges Gestalten der Welt. Es gehört zu den Aufgaben der Erzieherinnen und Erzieher, nicht nur den inneren, sondern auch den äußeren Entwicklungsraum für die Kinder so zu gestalten, dass die Individualität in vielfältiger Weise angeregt wird.

Vermittlung ethischer und sozialer Werte durch das tätige Vorbild:

Zu den pädagogischen Elementen, die dem kleinen Kind Lebenssicherheit und inneren Halt geben, gehören neben der emotionalen Zuwendung der Erwachsenen auch die Vermittlung ethisch-moralischer Qualitäten, das verbindliche Setzen von Regeln und Grenzen, das Erleben eines sozialen Miteinanders, Konfliktlösungsstrategien und das Kennenlernen unterschiedlicher Traditionen und Religionen in der menschlich konkreten Begegnung. Waldorfpädagogik versucht das alles nicht auf dem Wege der Reflexion und Diskussion an die Kinder der Elementarstufe heranzutragen, sondern indem die gewünschten Qualitäten durch das Vorbild der Erwachsenen gelebte Wirklichkeit sind, die das Kind als selbstverständliche Tatsache in seiner Lebensumgebung vorfindet und sich durch die Nachahmung zu eigen machen kann. Begegnen die Erwachsenen jedem Menschen mit Respekt und Wertschätzung, mit Toleranz und Einfühlungsvermögen, so wirkt das unmittelbar auf das Verhalten des Kindes und wird zur Gewohnheit.

Ebenso erwartet das Kind die Einhaltung von Regeln und Verabredungen und erfährt durch deren Ausführung im praktischen Vollzug, was es bedeutet, sich in eine soziale Gemeinschaft einzuordnen. Darüberhinausgehend ist es der Waldorfpädagogik ein Anliegen, durch die bewusste Pflege von Riten, durch das Feiern jahreszeitlicher Feste, durch Singen und Musizieren, durch das gemeinsame Anhören einer Geschichte nicht nur das Gemeinschaftserlebnis zu stärken, sondern auch die seelische Erfahrungswelt der Kinder anzuregen und zu bereichern. Das Kind erlebt die bildhaft-konkreten Darstellungen, wie sie zum Beispiel imMärchen zu finden sind, ohne verbale Belehrung.Das gegenseitige Kennenlernen unterschiedlicher Traditionen und Religionen in der menschlich-konkreten Begegnung gehört zu den erklärten Zielen der Waldorfpädagogik.

2.3. Bildungsbereiche im Kindergarten

2.3.1.       Allgemeine Grundsätze

Waldorfpädagogik bemüht sich um eine umfassende Förderung und Entwicklung der im Kind veranlagten Fähigkeiten, bei gleichzeitiger Wahrung und Achtung der Persönlichkeitsrechte des Kindes. Sie orientiert sich an den entwicklungsphysiologischen und entwicklungspsychologischen Gegebenheiten der jeweiligen Altersstufe, modifiziert durch die individuellen Besonderheiten, und versucht dadurch zu einer nachhaltigen Gesundheit, Lern- und Leistungsfähigkeit beizutragen. Sie misst der Förderung von Kindern in Kindertageseinrichtungen besondere Bedeutung bei und sieht für diesen Bereich einen eigenen Bildungsauftrag, bei dem es um implizites Lernen geht. Dieses ergibt sich ohne Reflexion unmittelbar aus dem Wahrnehmen der Umwelt und dem Mitvollzug ihrer Aktivitäten.

Rückhaltlose Hingabe an die sinnlichen Eindrücke und tätiges Sichverbinden mit der Welt liegen in der Natur des kleinen Kindes. Alles Lernen ist in diesem Alter ein ganzheitlicher und komplexer Vorgang. Die einzelnen Bildungsbereiche, die im Folgenden getrennt beschrieben werden, treten in der Realität nie isoliert auf und können nicht isoliert gefördert werden. Sie überschneiden und mischen sich ständig. So spielt z.B. beim Backen von Brötchen der Nahrungs- und Gesundheitsaspekt eine Rolle, Sinneswahrnehmungen wie z.B. Riechen, Schmecken, Fühlen werden ermöglicht, gleichzeitig wird die Motorik gefördert durch die Tätigkeit des Knetens, das mathematisch-mengenmäßige Vorstellen durch das Abmessen der Zutaten und die Menge der Brötchen, physikalisches Vorstellungsvermögen durch den Vorgang des Backens usw. Wird z.B. auch noch das Pflanzen, Pflegen, Ernten, Dreschen und Mahlen des Getreides mit einbezogen, so entsteht für das Kind aus der Wahrnehmung und der eigenen Tätigkeit ein Sinnzusammenhang, der ein Kohärenzgefühl vermittelt. Das Erleben des Erwachsenen, der in Ehrfurcht, Liebe und Achtsamkeit zu der ihn umgebenden Welt und allen Geschöpfen lebt, prägt das Kind im moralisch-ethisch-religiösen Bereich.

Waldorfpädagogik verfolgt durch die Förderung von Kohärenzerfahrungen und Resilienzentwicklung einen salutogenetischen Ansatz.Das kleine Kind darf in eine Fülle vielfältigster, wirklichkeitsgesättigter Tätigkeiten und Lebenszusammenhänge eintauchen und so vielfältige Primärerfahrungen machen. Die unmittelbare Erfahrung wird durch eigene Betätigung und Entdeckerfreude herausgefordert und damit die Selbstbildungsfähigkeit des Kindes gestärkt.Ebenso fördert und stärkt die Waldorfpädagogik die spätere Fähigkeit zu gedanklicher Reflexion und intellektueller Urteilsbildung gerade dadurch, dass sie diese im Elementarbereich noch nicht herausfordert. Das Kind belehrt sich selbst an den von den Erwachsenen gestalteten Tatsachen und Verhältnissen seiner Umwelt. Erst ab dem Ende des ersten Jahrsiebts bekommen bewusste Reflexion und gedankliche Arbeit ihren berechtigten Platz im Lernprozess.

2.3.2.       Das freie Spiel als entwicklungsfördernde Aktivität

Pädagogische Aspekte:

Das Spiel des kleinen Kindes unterscheidet sich deutlich von dem des älteren Kindes. Spiel ist für das kleine Kind Arbeit, mit der es sich die Welt zu eigen machen. Deshalb wird dem kindlichen Spiel in der Waldorfpädagogik große Aufmerksamkeit gewidmet. In keiner anderen Tätigkeit kann das Kind seine Selbstbildung so umfassend verwirklichen: Hier werden einerseits sämtliche Lebenskompetenzen grundlegend geübt, angefangen von den vielfältigsten motorischen und sensorischen Fähigkeiten bis hin zu umfassender Welterfahrung und sozialen Lernmöglichkeiten. Andererseits bietet das freie Spiel eine hervorragende Grundlage für die Entfaltung und Verwirklichung der kindlichen Individualität. Mit dem gleichen Ernst, mit dem das Kind in seinem Spiel lebt, kann es sich später als Erwachsener mit seiner Arbeit verbinden. Der Unterschied zwischen dem Spiel des Kindes und der Arbeit des Erwachsenen besteht nur darin, dass sich die Arbeit des Erwachsenen in die äußere Zweckmäßigkeit der Welt einfügen muss, das Tun des Kindes aber auf Impulsen beruht, die aus seinem Inneren aufsteigen und völlig zweckfrei ausgeführt werden dürfen. Das freie Spiel, wie es hier gemeint ist, soll unbeeinflusst von lehrhaften und reflektierenden Eingriffen der Erwachsenen bleiben. Das Spielmaterial soll möglichst wenig vorbestimmt sein, damit das Kind eintauchen kann in die schöpferische Phantasie des Augenblickes, den Dingen der Welt von innen heraus eine Bedeutung geben kann. Hier erprobt es Freiheit, Autonomie und Selbstverwirklichung, indem es ganz aus eigenem Antrieb handelt und die Werte und Regeln selbst bestimmt. Im Spiel wird dem Kind Gelegenheit gegeben, die täglichen Erfahrungen, die es in seiner Umgebung macht, aus eigenem Willen zu ergreifen und im nachahmenden Tun kreativ zu verarbeiten, zu üben und sich zu eigen zu machen.

Formen des Spiels in der Entwicklung des Kindes:

Das freie Spiel verwandelt sich in seiner Eigenart durch die einzelnen Altersstufen hindurch und spiegelt die Entwicklung des Kindes:

In den ersten ein bis zwei Lebensjahren entdeckt das Kind zunächst spielend seinen eigenen Körper. Hände und Füße werden ertastet, die motorischen Fähigkeiten erprobt, die Koordination zwischen Auge und Hand sowie zwischen rechts und links verfeinert. Sobald das Kind laufen kann, ergreift es mit größter Lust alle Gegenstände seiner Umgebung, betastet und erkundet sie und führt damit teilweise auch Bewegungen aus, die es am Erwachsenen, in seinen Gesten und Gebärden, wahrgenommen hat. Im freudigen eigenen Tun erwacht der Sinn für die Bedeutung der Dinge und ihre Zusammenhänge. Jede Art von Bemühung, dem Kind den Zweck der Tätigkeit durch Belehrung nahe zu bringen, führt es zu einem distanzierten Verhältnis. Charakteristisch für das unbewusste Lernen der ersten Lebensjahre ist jedoch das innige, spontane Verbundensein mit den Dingen.

Im zweiten bis vierten Lebensjahr, nachdem das Kind sich frei im Raum bewegen kann, ändert sich das Spielverhalten deutlich. Mit unerschöpflichem Einfallsreichtum hebt es die Zweckbestimmung von Gegenständen auf und gibt ihnen überraschend eine neue Bedeutung. Der Kochlöffel beispielsweise dient plötzlich zum Telefonieren, die Fußbank wird zum Motorrad, Puppenbett oder Herd. Aber es ändert sich nicht nur der Umgang mit den Dingen, sondern auch der Spielverlauf selbst nimmt immer neue Formen an, sobald neue Eindrücke aus dem Umfeld dazu anregen. Gegenstände und Ereignisse in seiner Umgebung sind dem Kind willkommene Anlässe, die Kräfte seiner Phantasie zu betätigen; es will verwandeln, ergänzen, neu schaffen, über das Vorgegebene hinausgehen. Sein Horizont erweitert sich dabei kontinuierlich, die Wahrnehmungen verknüpfen sich mit Gefühlen und Gedanken; Sinnzusammenhänge werden erfasst.

lm fünften bis sechsten Lebensjahr lässt sich wieder eine deutliche Veränderung im Spielverhalten bemerken. Waren es bisher die äußeren Eindrücke und Erlebnisse, die das Kind zum Spielen anregten, so kommen die Anregungen jetzt zunehmend von innen, aus den Bildern des eigenen Vorstellungs- und Erinnerungsvermögens. Der Gedanke geht dem Willen voraus, indem das Kind zuerst Pläne macht, die dann zielgerichtet ausgeführt werden. Das Spielmaterial bleibt das gleiche wie vorher, doch legen die Kinder jetzt Wert darauf festzustellen, dass die von ihnen phantasievoll aufgebaute Welt der realen Welt vollkommen gleicht, indem sie die benutzten Gegenstände zu „echten“ Gegenständen erklären. So verwandelt sich z.B. ein Kinderbesen, durch einen Korbgriff gesteckt und mit Bindfaden umwickelt, in einen Außenbordmotor, der „echt funktioniert“, wenn sich der Besen dreht. Das Spiel wird auf dieser Stufe zunehmend gesellig und der Spielverlauf kontinuierlich. Ganze Handlungsabläufe können erinnert und nachvollzogen werden. Die Kinder weisen sich jetzt bestimmte Rollen zu und stellen selbst Regeln auf, an die sie sich halten. Ihre Spielthemen können die Kinder über mehrere Tage fortführen. Oft wissen die Kinder schon, bevor sie im Kindergarten ankommen, was sie spielen wollen.

Bildung ethisch-moralischer Werte durch das freie Spiel:

Wenn dem Kind für das Durchlaufen der geschilderten Phasen des Spiels ausreichend Zeit und Ruhe gelassen wird, können sich Wille, Gefühl und Vorstellungsleben gesund entwickeln und eine tiefe Verbindung miteinander eingehen. Das Kind lernt nicht nur den eigenen, von innen kommenden Impulsen treu zu bleiben und sie tätig in die Wirklichkeit umzusetzen, sondern auch zu fühlen, was es will und tut, und die Folgen immer besser zu überschauen. Aus dem Ernst des freien, schöpferischen Spielens entstehen Keime der Moralität und Besonnenheit: Freiheit verbindet sich mit persönlicher Verantwortung, schöpferische Phantasie mit Regelbewusstsein, Ich-Kompetenz mit Rücksichtnahme. Grundlegende soziale und moralische Fähigkeiten werden hier für das ganze spätere Leben veranlagt.

Spielanregung durch den Erwachsenen:

Eine wichtige Voraussetzung für das Zustandekommen eines inhaltvollen, reichen Spiels ist einerseits viel Zeit, Ruhe und positive fröhliche Stimmung sowie Spielmaterial, das keinen Zweck vorgibt. Andererseits eine Umgebung, in der in Gegenwart des Kindes lebenspraktische und künstlerische Arbeiten verrichtet werden, die für das Kind durchschaubare, sinnvolle Zusammenhänge ergeben. Das regt die Nachahmung an und weckt das Spielen, während inszenierte Beschäftigungen oder Lernprogramme dem entgegenwirken.

2.3.3.       Bewegung, Leibesentwicklung und Gesundheit

Pädagogische Aspekte:

In keinem Lebensabschnitt haben Bewegung und sinnliche Erfahrung eine so überragende Bedeutung für die Erschließung der Welt wie in den ersten Lebensjahren, denn jede Tätigkeit, sei sie motorischer oder sensorischer Art, schlägt sich beim heranwachsenden Kind in neurologischen Strukturen nieder. Fortwährende Bewegung stärkt die Fähigkeiten der Leibesbeherrschung und legt damit die wichtigsten Grundlagen für ein positives Körpergefühl, für gesunde Leibesentwicklung, für eine ausdrucksstarke Seelenfähigkeit. Welt- und Selbsterfahrung erhalten hier ihr Fundament. Die ganze Biographie wird dadurch geprägt.

Bewegungs- und Leibesentwicklung des Kindes:

Im ersten und zweiten Lebensjahr erobert das Kind seinen Leib. Es beginnt mit der ersten Koordination der Augen und der Kontrolle der Kopfbewegungen, geht weiter zum Spiel mit den eigenen Händen, später auch mit den Füßen, dann zum Rollen, Robben, Krabbeln, Sich-Aufrichten, Sitzen, Stehen und Gehen. Parallel zu diesen intensiven, wenn auch unbewussten sensomotorischen Leistungen des Kindes reifen die Sinnesorgane, die inneren Organe und die Struktur des Nervensystems aus und bilden die Grundlage für Sprachfähigkeit und Denkfähigkeit.

Bis zum fünften Lebensjahr gewinnt das Kind Sicherheit im Gleichgewichthalten, kann Treppensteigen, ausdauernd gehen, hüpfen, springen, sich aus- und anziehen. Über die immer bewusster werdende Wahrnehmung übt es gezielt seine Bewegungsfähigkeiten bis in die Fuß-und Fingerspitzen hinein und besitzt jetzt die Geschicklichkeit, die z.B. für das Binden von Schleifen oder das Einfädeln von Nadeln notwendig ist. Das Fußgewölbe und die Schwingung der Wirbelsäule sowie die Rundung des Brustkorbes bilden sich aus, Herzrhythmus und Atmung werden stabil.

Im sechsten und siebten Lebensjahr erwirbt das Kind eine zunehmend differenzierte Feinmotorik und Koordination seiner Arme, Hände, Beine und Füße, der gesamte Körper findet zu einem sicheren Bewegungs- und Gleichgewichtsvermögen. Die Gliedmaßen gestalten sich aus und erhalten eine neue Proportion zum übrigen Leib. Die geschilderten Phänomene sind der sichtbare Ausdruck einer immer größeren Reifung des zentralen Nervensystems und –mit ihr einhergehend– auchdes Bewusstseins; seelisch-geistige Fähigkeiten wachsen heran. Die Beobachtung der Bewegungs- und Leibesentwicklung kann den Erzieher/innen helfen, dem Kind notwendige Entwicklungsanregungen zu geben oder auch den Eltern bei Bedarf zu therapeutischer Unterstützung zu raten. Ferner können die Beobachtung und Beurteilung des körperlichen Ausreifens eine Hilfe sein bei der Entscheidung, wann bei dem einzelnen Kind die Reife für schulisches Lernen erreicht ist. Denn in dem Maße, in dem der Leib ausreift, werden seelisch-geistige Kräfte frei, der Übergang vom impliziten zum expliziten Lernen wird vollzogen. Die skizzierte Entwicklung drückt sich u.a. auch in den Kinderzeichnungen aus, deren Motive zwar altersabhängig sind, aber bei allen Kindern über die Welt hin in gleicher Art in Erscheinung treten. In ihnen kommt eine allgemeine Gesetzmäßigkeit zum Ausdruck, die zur Einschätzung des Entwicklungsstandes eines Kindes mit herangezogen werden kann, vorausgesetzt, die Zeichnung entstand unabhängig von äußeren Vorgaben oder Aufforderungen, aus dem inneren Impuls des Kindes selbst.

Bildung ethisch-moralischer Werte durch Bewegungskultur:

Nur eine sinnvolle, zielgerichtete, wahrhaftige Bewegung des Erwachsenen hat bildenden Wert für die Entwicklung des Kindes. Daher ist es für das kleine Kind entscheidend, dass es beim Erwachsenen in reichem Maße von innen geführte, seelisch belebte Bewegungen wahrnehmen kann, die es nachahmt. Das hilft ihm, seinen eigenen Bewegungsorganismus immer differenzierter zu durchdringen und zur vollen Entfaltung zu bringen. Aus dem erreichten Können erwachsen Freude, Kraft und Zuversicht, aber auch Handlungskompetenz und Frustrationstoleranz. Eigenschaften also, die den heranwachsenden Menschen befähigen, positiv auf die Welt zuzugehen und in ihr sinnvoll zu wirken. Zugleich wird auch der moralische Sinn des Kindes angeregt: Gesten und Gebärden, Mimik und Körpersprache des Erwachsenen zeigen dem Kind die Gesinnung, die im Erwachsenen lebt. Lange bevor das Kind Fragen der Moralität bewusst reflektiert, wird so der Sinn für Wahrhaftigkeit geschult.

Unterstützung der Bewegungsentwicklung durch den Erwachsenen:

Ausreichende Spiel- und Bewegungsmöglichkeiten drinnen und draußen in der Natur, Zeit zum ungestörten Üben und natürliches Spielmaterial stärken die gesunde Leibes- und Bewegungsentwicklung positiv. Eine Grundbedingung ist allerdings, dass wir dem Kind ermöglichen die einzelnen Entwicklungsschritte und Erfahrungen in seinem individuellen Tempo zu durchlaufen. Das Kind sollte sich dabei von der liebevollen, wahrhaftigen Zuwendung des Erwachsenen getragen fühlen. Eine große Hilfe sind für Kinder ferner rhythmisch wiederholte Abläufe und sinnvoll geordnete Tätigkeiten, die sich durch ihre regelmäßige Wiederkehr einprägen und dadurch ordnend und strukturierend auf die Leibbildung wirken. Aus diesem Grunde legen die Waldorfkrippe und der Kindergarten Wert auf einen stets ähnlich wiederkehrenden Tageslauf und Wochenrhythmus, auf ein regelmäßig wiederkehrendes Angebot an Fingerspielen, Handgestenspielen, Reigenspielen, Puppenspielen, Reimen und Liedern. Auch künstlerische, handwerkliche und hauswirtschaftliche Tätigkeiten gehören dazu.

2.3.4.       Sprachentwicklung

Pädagogische Aspekte:

Sprache bedeutet für den Menschen weit mehr als nur ein Mittel zur Kommunikation. Sie ist die wichtigste Grundlage allen sozialen Lebens, indem sie Menschen die Möglichkeit gibt, einander mitzuteilen, was sie im Inneren bewegt. Aber Sprache leistet noch mehr: Indem das Kind sie lernt, erschließen sich ihm die Sinnzusammenhänge der Welt, strukturiert sich der Kosmos der Gedanken. Fragen nach dem Woher und Wohin des Menschen, nach dem Warum der Dinge und Vorgänge können nur durch das Medium der Sprache gestellt und beantwortet werden. Die im vorigen Abschnitt dargestellte grob- und feinmotorische Entwicklung bildet die leibliche Voraussetzung für den Spracherwerb des Kindes. Wie aber das Kind niemals zu einem aufrechten Gang gelangen könnte ohne das Vorbild aufrecht gehender Erwachsener, so braucht es auch für den Spracherwerb den zu ihm sprechenden Menschen, um die akustischen Phänomene aufzunehmen und ganz besonders, um Tonfall, Gestik, Mimik und Haltung des Sprechenden wahrzunehmen, denn der weitaus größte Teil sprachlicher Kommunikation bedient sich nonverbaler Mittel. Dies kann nur in der lebendigen Interaktion von Mensch zu Mensch stattfinden. Das wechselseitige Hören und Sprechen ist die Voraussetzung für jegliche Sprachentwicklung und Sprachförderung.

Phasen der Sprachentwicklung:

Bereits mit der ersten Kontaktaufnahme zu seiner Umgebung beginnt der Säugling sich Elemente der Sprache anzueignen: Ausdruck, Tonfall, Mimik und Gesten der Menschen um ihn herum geben ihm Gelegenheit, Klänge und Laute wahrzunehmen, lange bevor er selbst sie hervorbringen kann. Das eigene Sprechen muss dann in einem hochkomplexen Prozess motorisch-muskulärer Feinsteuerung erlernt werden, bei der die Regulation und Rhythmik des Atems ebenso zu trainieren ist wie die Beherrschung von Mimik und Körpersprache. Dieser Prozess reicht bis weit in die Schulzeit hinein. Je größer mit zunehmendem Alter der Wortschatz wird und je differenzierter der Sprachgebrauch, desto tiefer und vielfältiger entwickelt sich die Möglichkeit, die innersten Gefühle und eigenen Gedanken auszudrücken. Richtiges und reichhaltiges Sprechen ist die Voraussetzung für das Freiwerden des Denkens, das dann auch über die Sprache hinauswachsen kann.

Kinder haben nachweislich schon ab dem Säuglingsalter eine erstaunliche Fähigkeit, in der Sprache ihrer Umgebung völlig unbewusst strukturelle Regeln und Gesetzmäßigkeiten wahrzunehmen und im Gehirn zu verankern (vgl. Manfred Spitzer in dem Buch „Lernen“). Wenn sie dann die Fähigkeit erworben haben, selbst Sätze zu bilden und immer kompliziertere Zusammenhänge richtig auszudrücken, „können“ sie offenkundig die sprachlichen Regeln, ohne sie jemals bewusst gelernt zu haben. Erst in der Schule werden die Regeln und Gesetzmäßigkeiten, Grammatik und Syntax schrittweise ins Bewusstsein gehoben.

Förderung ethisch-moralischer Werte durch Sprache:

Durch die Sprache erhält das Kind nicht nur die Möglichkeit, seine eigenen Gedanken und Gefühle zum Ausdruck zu bringen. In wachsendem Maße kann es auch sich selbst, die Welt, die anderen Menschen mit all ihren Eigenheiten wahrnehmen, Beziehungen aufbauen und Andere in ihrem Anderssein verstehen. Mit dem Spracherwerb bildet sich im Kind der Sinn für Moralität und Wahrheitsliebe, denn es lernt, dass jedes Wort eine bestimmte Bedeutung, einen Sinn hat. Es geht deshalb instinktiv davon aus, dass die nach dem Wort zu erwartende Handlung auch eintritt, dass Wort und Tat übereinstimmen. Insofern ist es von größter Bedeutung, mit welcher Gesinnung und Wahrhaftigkeit wir mit dem Kind sprechen. Ironisches Sprechen bleibt dem kleinen Kind völlig unverständlich. Erst das älter werdende Kind durchschaut den absichtlichen Bruch zwischen Wort und tatsächlich gemeintem Sinn und kann ihn als Witz verstehen.

Sprachliche Anregung durch den Erwachsenen:

Förderlich für den Spracherwerb des Kindes sind die klare Artikulation und das zusammenhängende Sprechen des Erwachsenen mit dem Kind. Die Übereinstimmung der Worte mit der Körpersprache und den Gebärden wird von Kindern in feinster Weise wahrgenommen und auf ihre Wahrhaftigkeit geprüft. Das fordert vom Erwachsenen ein hohes Maß an Selbstdisziplin. Es ist wichtig dem Kind aufmerksam zuzuhören und es ausreden zu lassen, damit es in Ruhe seine Gedanken und Anliegen selbst in Worte und Sätze fassen kann. Das Kind sollte nach Inhalt und Wortgebrauch altersgemäß angesprochen werden, aber nie „kindisch“ oder in Kleinkind-Sprache. Bildhafte, phantasievolle Sprache fördert die Entwicklung. Deswegen sind die rhythmischen Reime, Verse und Gedichte, Tänze oder Reigen von großer Bedeutung für die Sprachkultur. Hierbei sind Sprache, Musik und Bewegung harmonisch miteinander verbunden, so dass der ganze Mensch angesprochen wird. Das tägliche Hören von Geschichten oder Märchen bereichert nicht nur den Wort- und Sprachschatz der Kinder, sondern regt auch die Phantasie und Gestaltungskraft an. Wie bei jedem Lernvorgang ist es hier wichtig, dass über längere Zeit dasselbe erzählt oder im Puppenspiel gezeigt wird, damit sich das Kind mit dem Inhalt und der Darstellung verbinden kann. Kinder haben Freude am Wiedererkennen, gewinnen Sicherheit im Umgang mit anspruchsvoller Sprache und integrieren das Gehörte in ihrer Weise phantasievoll in ihr freies Spiel.

2.3.5.       Rhythmisch-musikalisch-künstlerische Bildung

Pädagogische Aspekte

Kinder sind geborene Künstler, die mit ihren schöpferischen Fähigkeiten freudig zur Tat schreiten und mit ihrem tätigen Schaffen gewissermaßen mitten in der Welt stehen. Sie tauchen unbewusst ein in das Wesen der Dinge, während wir Erwachsenen eher als Zuschauer, Betrachter und Kritiker auf Distanz bedacht sind. Unser bewusstes Denken steht den schöpferischen Kräften des Kindes gegenüber. Die pädagogische Kunst besteht darin, das Kind in das bewusste Verstehen der Welt zu führen, dabei jedoch das schöpferische Potenzial, die individuelle Gestaltungskraft zu bewahren. Künstlerische Tätigkeiten aller Art sind hierfür ein unschätzbares Hilfsmittel, vorausgesetzt, wir sind bereit, selbst wieder zu lernen und zu Künstlern zu werden.

Pflege von Musik und Rhythmus

Die Urtätigkeit des Singens bedarf heute einer besonderen Pflege, da immer weniger gesungen wird. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Singen gesundend wirkt, den Atem vertieft und nicht zuletzt die Ausreifung der Atem- und Sprachorgane unterstützt. Besondere Bedeutung kommt beim Singen wie bei allen musikalischen Tätigkeiten dem Rhythmus zu. Er übt eine ordnende und stabilisierende Wirkung aus, sowohl auf die leibliche wie auch auf die seelisch-geistige Organisation des Kindes. Zugleich knüpft das Kind hier an seine pränatale Entwicklungszeit an, in der es unter dem fortwährenden Einfluss von Herzschlag und Atmung, Gang und Bewegungen der Mutter stand.

Auch die Rhythmen der Sprache werden schon vorgeburtlich wahrgenommen und sind dem Neugeborenen vertraut, lange bevor es selbst das Sprechen erlernt. Rhythmus verbindet Sprache, Musik und Bewegung, und dieser Dreiklang sollte als ein Lebenselement die Kindheit durchziehen. In Krippe und Kindergarten werden täglich Lieder und Verse gesungen und mit dem Inhalt entsprechenden Bewegungen begleitet. Unaufgefordert vollziehen die Kinder die adäquaten Gesten und Bewegungen zunächst innerlich, dann äußerlich nach. So werden z.B. große stampfende Schritte im Wechsel mit kleinen trippelnden ausgeführt, oder man galoppiert als Pferdchen und kommt, wenn der Rhythmus endet, aus dem Hüpfen oder Springen sofort zum Stillstand. Hier lernt das Kind ohne jede Belehrung komplexe, sensomotorische Leistungen, die es in seiner Entwicklung voranbringen.

Bildung ethisch-moralischer Werte durch Musik

Musik führt zu seelischer Harmonie und Ausgeglichenheit, fördert die kognitive Entwicklung, Bewegungsfreude und Vitalität, stärkt die Lebenssicherheit und festigt die Persönlichkeit. Musikalisch-rhythmisch-künstlerische Betätigung fördert zugleich die Willenskraft als Triebfeder jeder Aktivität und schöpferischer Phantasie. Initiativkraft und Flexibilität werden veranlagt. Musik führt den Menschen aber nicht nur nach innen zu sich selbst, sondern auch nach außen in die Welt: Indem die Qualität von Klängen, Tönen, Melodien und Rhythmen erlebt wird, erfährt das Kind zugleich, wie sich im Ton das Wesen der Dinge ausspricht. Ebenso wird der soziale Zusammenhang gestärkt: Denn im Aufeinander-Hören und sich aufeinander Einstimmen entsteht eine integrierende Gemeinsamkeit, zu der jeder Teilnehmer kraft seiner Individualität einen unverzichtbaren Beitrag leistet. Gemeinsames Musizieren fördert nicht nur die Musikalität, sondern steigert auch die Sozialfähigkeit.

Künstlerische Tätigkeiten im Kindergarten

Sprachlich-rhythmisch-musikalische Elemente durchziehen den Tagesablauf in Waldorfkrippe und Kindergarten. Es werden Lieder gesungen, rhythmische Verse und Reime gesprochen, Fingerspiele und Handgestenspiele gespielt, kleine Geschichten oder Märchen erzählt.

Eine besondere Verdichtung erfährt die künstlerische Tätigkeit im Reigen. Hier werden Lieder und Verse, die in einem Sinnzusammenhang stehen, gesungen, gespielt und durch gezielte Gebärden unterstützt. Hören und Sehen, Empfinden und Vorstellen, Bewegen und Handeln durchdringen einander, verschmelzen im Mitmachen zu einem Ganzen und bilden das Kind bis in seine Leiblichkeit hinein. Förderung der Sprache, der Bewegung und Musikalität finden gleichermaßen statt, der Wille wird geschult, soziale Fähigkeiten werden geübt. Digitale Medien können das Vorsingen und Erzählen durch ein menschliches Gegenüber nicht ersetzen. Die Kinder brauchen u.a. die Verbindung mit einer erlebbaren Person, um über das Vorbild zum eigenen Tun zu kommen. Dabei zählt für die Kinder nicht das musikalische und rhetorische Können des Erwachsenen, sondern sein Bemühen selbst zu singen und zu erzählen.

Bei der Eurythmie wird das Kind im Bewegungsbereich an die Kräfte der Sprache herangeführt. Dabei werden in erster Linie die Lebenselemente erfasst, die sich in der Sprachbewegung offenbaren. Jeder Laut wird in seiner eigenen Kraft und Aussage erlebt. Das Kind taucht in die Bewegung ein.

Eine andere künstlerische Tätigkeit bildet das Kneten mit Bienenwachs, das eine Vielzahl der Sinne anspricht. Das Kind durchlebt in diesem Tun das Hingegebensein an das Material und lernt seine Gesetzmäßigkeiten kennen. Urbildhafte Formen kommen zum Ausdruck und das Kind entdeckt mit Schaffensfreude in den eigenen Gestaltungen ein Abbild der Welt.Mit Freude übt das Kind die Erde kennen zu lernen und durch diese aktive Auseinandersetzung bekommt es die Fähigkeit, an ihr später mitzugestalten.

Auch das Nass in Nass Malen mit Aquarellfarben und das Malen mit Wachsfarben hat seinen festen Platz im Kindergarten.

Es wird nichts beurteilt, denn alles Korrigieren, Bewerten und Reflektieren schafft Distanz, die den inneren Gestaltungswillen und die Phantasie hemmt. Für das Kind dieser Altersstufe kommt es auf das Erleben des Tuns an, nicht auf das entstandene Ergebnis. Das Kind lebt im Hier und Jetzt, in der unmittelbaren Tätigkeit, in der Gegenwartserfüllung.

2.3.6.       Grundlagen mathematisch-naturwissenschaftlicher Bildung

Pädagogische Aspekte

Kinder haben ein großes Interesse an allen Erscheinungen in der Natur. Neugierig forschend, fragend und probierend gehen sie auf die Welt zu, nicht mit wissenschaftlich-kritischer Reflexion, sondern mit spontaner Tätigkeit und Empfindung. Neben der Nachahmung von Handlungen Erwachsener hat vor allem das freie, unbeeinflusste Spiel des Kindeseine herausragende Bedeutung für die Vorbereitung einer mathematisch-naturwissenschaftlichen Bildung: Im Umgang z.B. mit naturbelassenem, zweckfreiem Material nutzt das Kind die Gelegenheit zum selbständigen Bauen und Konstruieren, zum Sortieren, Ordnen, Vergleichen und Ausprobieren. Es erlebt dabei unbewusst Maße, Gewichte, Qualitäten, Quantitäten. Es erforscht die sinnliche Welt, lernt mit ihr umzugehen und sie zu gestalten. Lange bevor es mit Zahlen im engeren Sinn rechnet oder physikalische Gesetze bewusst handhabt, erobert es sich wie unbemerkt die Grundlagen mathematisch-physikalischer Fähigkeiten. Alles, was später mit dem Verstand erkannt und gedacht werden kann, ist vorher sinnlich-leiblich erfahren, getan, begriffen worden.

Grundlagenbildung

Das kleine Kind lebt jederzeit in der Gegenwart, sein eigenes Erleben steht im Mittelpunkt. Erst nach und nach entwickelt sich aus dem Heute und Jetzt ein Bewusstsein von Gestern und Morgen, ein Leben auch in Vergangenheit und Zukunft und damit die bewusste Erinnerung. Voraussetzung für diesen Schritt ist, dass das Kind in einem durch den Erwachsenen bewusst gestalteten, immer ähnlich wiederkehrenden Tages-, Wochen- und Jahresrhythmus lebt. Es erfährt die Zeit durch Gliederung, Ordnung und Maß.

Ebenso wie die Zeit ist das Erleben des Raumes, der Mengen, der Proportionen für das kleine Kind zunächst noch nicht objektiv erlebbar und abschätzbar. Das langsame Erwachen des Bewusstseins für die Qualitäten von Raum und Zeit, von Menge, Zahl und geometrisch-mathematischen Gesetzmäßigkeiten ist beim Kind eng mit seiner leiblichen Entwicklung verbunden. Deswegen muss die gesunde Bildung und Ausreifung der Sinnesorgane und -funktionen sowie des Bewegungsorganismus vorrangiges Ziel der Elementarpädagogik bis in die ersten Schuljahre hinein sein.

Handelnd lernen die Kinder die Eigenschaften und Gesetzmäßigkeiten ihrer Umwelt kennen. Schon das Sich-Aufrichten und Gehen lernen stellt das Kind in die Erfahrung der Schwerkraft und in die Dimensionen des Raumes. Später werden Schwung, Auftrieb, Schwerkraft, usw. leiblich erfahren im Schaukeln, Seilspringen, Rutschen, und das solchermaßen Erlebte wird im Spiel nachvollzogen, indem die Kinder z.B. Kastanien auf schief gelegten Brettern hinunterrollen lassen, oder indem Murmelbahnen, Brücken und Türme gebaut werden. Hebelgesetze, Statik, Balance werden dabei erprobt.

In der Eurythmie und im Reigen werden geometrische Formen wie Kreis und Mittelpunkt, Oval, Gerade, Spirale und Verortungen wie innen/außen, oben/unten, rechts/links durch die eigenen körperlichen Bewegungen unbewusst erlebt. Räumliche Vorstellungskraft und das Gefühl für Proportionen schulen sich daran. Die Zusammenhänge, die das Kind im Spiel, im Experimentieren mit dem Material und durch den Einsatz mit seinem ganzen Körper erlebt, verdichten sich zu einer noch unbewussten körperlich-kinästhetischen Intelligenz, und diese bildet die Grundlage für das exakte mathematisch-naturwissenschaftliche Denken und Verstehen im späteren Leben. Um die Zeit des beginnenden Zahnwechsels erlangt das Kind die Fähigkeit, mit räumlichen und zeitlichen Vorstellungen rational umzugehen, und so kann in der Schule als Gesetz erkannt und gedacht werden, was in den ersten sechs bis sieben Lebensjahren leiblich erfahren und im Spiel ausprobiert wurde.

Bildung ethisch-moralischer Werte

Kann das Kind am Erwachsenen dessen Staunen erleben über Erscheinungen der Natur, Freude, Achtung und Ehrfurcht gegenüber allem, was lebt, dann wird in ihm ein tiefes Verantwortungsgefühl veranlagt, ein religiöses, moralisches Fundament gelegt. Es erlebt die Welt in ihren Gesetzmäßigkeiten und ihrer Verlässlichkeit und gewinnt dadurch Lebenssicherheit und eine positive seelische Beziehung zur Umwelt. Es gewinnt Vertrauen in das eigene Dasein und erfährt die Welt als einen Ort, an dem es sich beheimatet fühlt. Die Welt als geordnet und gut erleben zu können, ist in den ersten Lebensjahren fundamental wichtig, weil das dem Kind die Grundlage und Lebenskraft gibt, die es braucht, um später den Gefahren und Problemen des Lebens mit Kraft begegnen zu können.

Anregungen im Kindergartenalltag

Im Tagesablauf des Kindergartens und im Spiel wird vielfältig mit Zahlen, Mengen und physikalischen Gesetzen umgegangen, ohne sie durch Reflexion ins Bewusstsein zu heben. Das Kind erfährt die Mengen und Zahlen z.B. beim Tischdecken, beim Zerteilen eines Apfels, beim Abmessen der Zutaten für das Backen,usw. Tatsachenlogik und das Verständnis für Systematik werden rein aus der Handlung heraus gefördert, indem täglich nach dem Freispiel gemeinsam aufgeräumt, die gebrauchten Materialien sortiert und an den für sie bestimmten Platz gebracht werden. Das schafft neben der äußeren auch eine innere Ordnung, fördert den Überblick und die Selbständigkeit.

Im Freien erfährt das Kind im Umgang mit Sand, Lehm, Wasser, Holz, Stein usw., wie verschieden sie sich anfühlen. Die Qualitäten von hart/weich, rau/glatt, warm/kalt werden handgreiflich erfahren, aber auch wie unterschiedlich sich Sand oder Lehm zu Wasser verhalten, oder dass Blätter und Holz schwimmen, während Steinchen im Wasser untergehen. Die Pflege des Gartens, die Spaziergänge zum Gärtnerhof und zum Schulgelände, die kleinen Ausflüge in den Callenberger Forst und zum Goldbergseegeben Gelegenheit, Pflanzen kennen zu lernen und in ihrem Wachsen, Blühen und Welken zu verfolgen. Tiere werden beobachtet, Regenbogen und Wolken bestaunt, der Jahreslauf mit dem Sonnengang, der wechselnden Helligkeit und Dunkelheit, Wärme und Kälte wahrgenommen.

Für die Veranlagung naturwissenschaftlicher Bildung ist viel gewonnen, wenn die Kinder in diesem Alter statt trockener Abstraktionen eine unmittelbare, seelisch gesättigte Erfahrungbekommen von der unerschöpflichen Fülle der Sinneswelt, eine Erfahrung, die das Staunen und die produktive Neugierde wach hält bis in die spätere Schulzeit, wo die Dinge auch mit dem Verstand erfasst werden wollen. Hier trifft dann das rationale gedankliche Element auf eine Empfindungsgrundlage, die in der Kindheit gelegt wurde und jetzt dafür sorgt, dass sich der Mensch nicht nur über seinen Kopf mit der Welt verbindet, sondern als ganzer Mensch mit Kopf, Herz und Hand.

2.3.7.       Bildung sozialer Fähigkeiten

Pädagogische Aspekte

Die Bildung sozialer Fähigkeiten hat eine wesentliche Voraussetzung: Um Mitgefühl und Verständnis für andere Menschen zu entwickeln, muss das Kind zunächst sich selbst als eigenständige Individualität erleben und behaupten können, muss sich von den Mitmenschen angenommen und bestätigt fühlen. In dem Maße, in dem es Sicherheit und Geborgenheit in einer verlässlichen menschlichen Bindung erfährt, entwickelt es sein Selbstwertgefühl und seine Selbständigkeit, und erst auf dieser Grundlage gewinnt es die Freiheit, nicht nur auf sich zu blicken, sondern sich auch mit Interesse und Hilfsbereitschaft anderen Menschen zuzuwenden.

Entwicklungsschritte zur Sozialfähigkeit

Der Säugling kennt zunächst nur seine eigenen Bedürfnisse und braucht intensive Zuwendung. Ohne verlässliche Bindung kann er nicht gedeihen. Er lebt in einem Urvertrauen. Dieses nicht zu enttäuschen ist die Vorbedingung für den Erwerb sozialer Kompetenzen. Erst im Laufe der Jahre wird das Kind selbständig genug, um sich getrennt von seiner Umgebung zu erleben und auch andere Menschen in ihren Bedürfnissen wahrzunehmen. Auf diesem Weg zur Sozialfähigkeit hat das Kind bereits erste Schritte getan, wenn es aus der kleinen Gemeinschaft der Familie in die größere, ihm zunächst fremde Gemeinschaft der Krippe und des Kindergartens kommt. Das Kind erlebtin dieser neuen Gemeinschaft Geborgenheit und Sicherheit: Das über längere Zeit konstant bleibende Gruppengefüge lässt ihm Zeit und Raum, um in einem vertrauten Menschenkreis und Umfeld seine individuelle Entwicklung zu durchlaufen und tragende Beziehungen zu den anderen Kindern und Erwachsenen aufzubauen. Die rhythmisch wiederkehrenden Tätigkeiten an bestimmten Wochentagen und das regelmäßige Feiern der Jahresfeste sorgen für ein überschaubares, zeitliches Gefüges. Das alles schafft Vertrauen in die Welt und die Menschen und bildet die Basis für eine wachsende Sozialkompetenz.

Erste Versuche des Kindes, sich von der vertrauten Bezugsperson abzusetzen, zeigen sich in den Trotzphasen. Hier erprobt das Kind seine Selbstständigkeit und wird sich seiner eigenen Willenskräfte bewusst. Gleichzeitig aber kann das Kind im geschützten Rahmen der Krippe und des Kindergartens lernen, Beziehungen zu weiteren Bezugspersonen aufzubauen und das gemeinsame Leben in einer größeren Kindergruppe mit zu gestalten, zu genießen und zu ertragen. Es lernt Rücksicht zu nehmen oder warten zu können und erlebt, wie ihm geholfen wird oder es selbst helfen kann. Die altersgemischte Gruppe erweist sich als eine natürliche Hilfe auf dem Weg zur Sozialfähigkeit, besonders im letzten Jahr vor der Schule, wo den „Großen“ vieles vertraut ist. Sie sind sich ihres Könnens und Wissens bewusst, übernehmen selbständig Aufgaben und leiten die Kleineren an. Verantwortungsbewusstsein, Durchhaltekraft und eine ernste Arbeitshaltung entwickeln sich, verbunden mit Selbstsicherheit und Kraft. Der Schritt zum Schulkind ist gekennzeichnet durch einen grundlegenden Wandel sowohl des Sozialzusammenhangs wie auch des Lernverhaltens:An die Stelle des impliziten Lernens tritt Schritt für Schritt das explizite Lernen, an die Stelle der altersgemischten Gruppe zeitweise die Gruppe mit Kindern gleichen Alters und Entwicklungsstandes, wie z.B. beim Vorschulwandern. Waren bisher Gewohnheiten haltgebend und grenzbildend, werden dies jetzt Regeln und die Führung durch das Wort der anerkannten, geliebten Autorität des Erwachsenen. Soziale Fähigkeiten können nun bewusst erübt werden.

Bildung ethisch-moralischer Werte

Bindungsfähigkeit, Verlässlichkeit, Sozialfähigkeit gehören zu den wichtigsten Grundwerten des Menschseins. Wir werden sozialfähig, wenn wir über ein gesundes Maß an Selbstbewusstsein und Sicherheit verfügen. Weiß sich das Kind in seinem Sein und Können anerkannt, entstehen Schaffenskraft, Mut und Selbstvertrauen, Initiativkraft und Lust etwas zu wagen. Das Kind lernt sinnvoll auf Anforderungen zu reagieren und Schwierigkeiten zu meistern. Demokratische Grundlagen werden angelegt.

Anregung der Sozialfähigkeit durch die Erwachsenen

Die Ausbildung der Sozialfähigkeit wird in Krippe und Kindergarten durch die Gestaltung des Tagesablaufes unterstützt, indem sich Phasen des vollen Eintauchens in die Gemeinschaft rhythmisch abwechseln mit Phasen, in denen das Kind ganz bei sich sein darf und die Möglichkeit hat, seinen eigenen Intentionen nachzugehen. Auf Phasen des aktiven Sich-nach-Außen-Wendens (Ausatmen) folgen Phasen des ruhigen Lauschens und konzentrierten Wahrnehmens (Einatmen), damit eine harmonische Entwicklung des Kindes unterstützt wird. Unbewusst orientieren sich die Kinder am Vorbild des Erwachsenen. Die Art, wie dieser fühlt und denkt, mit anderen kommuniziert, mit Problemen und Konflikten umgeht – das alles hat eine starke Wirkung und spiegelt sich im Verhalten der Kinder. Denn sie lernen durch die tagtäglich wahrgenommene Lebenswirklichkeit.

2.3.8.       Grundlagen im Kindergarten für Medienkompetenz

In unserer Gesellschaft und Wirtschaftswelt wird in wachsendem Maße vom erwachsenen Menschen Medienkompetenz erwartet. Medienkompetenz entsteht jedoch nicht durch Mediennutzung in der frühen Kindheit, sondern durch den Erwerb ganz anderer Kompetenzen, die vorausgehen müssen. Die wichtigste und grundlegendste von ihnen ist die vollständige Ausbildung der motorischen und sensorischen Fähigkeiten, durch die das Gehirn des Kindes erst seine volle Leistungsfähigkeit erlangt und der Organismus die nötige Stabilität gewinnt, um sich gesund entwickeln zu können. Das Kind ist existenziell darauf angewiesen, seine Sinnesorgane differenziert entwickeln zu können, indem es die Welt mit ihrer Fülle unterschiedlichster Wahrnehmungsqualitäten immer wieder unmittelbar tätig erlebt. Denn nur so kann es z.B. den Geruch, den Geschmack, das Aussehen und den Klang eines Gegenstands als zusammengehörig erleben, als verschiedene Sinnesmodalitäten, die einem einzigen Gegenstand zuzuordnen sind.

Die Fähigkeit, Informationen aus verschiedensten Sinnesbezirken durch die eigene innere Aktivität in einen Zusammenhang zu bringen, muss in einem langen Lernprozess erworben werden. Sie bildet die Grundlage für Denken und Urteilsvermögen, und auf sie gestützt kann der junge Mensch in späteren Jahren aus Daten Wissen, aus Symbolen Bedeutung, aus Texten Sinn schöpfen. Eben diese Fähigkeit, die in den ersten Kindheitsjahren veranlagt werden muss, lässt sich an den elektronischen Medien prinzipiell nicht ausbilden. Denn diese reduzieren die Sinnesfülle auf Auge und Ohr, und hier heben sie auch noch die Kongruenz von Bild - und Tonwahrnehmung auf, indem das, was aus dem Lautsprecher ertönt (z.B. Musik, oder die Sprache eines unsichtbar bleibenden Sprechers), meist aus einem ganz anderen Realitätsbereich stammt als das, was auf dem Bildschirm zu sehen ist. Außerdem werden die Hör- und Seheindrücke von der körperlichen Aktivität des Kindes abgekoppelt, indem seine natürliche Bewegungsaktivität während des Sehens hochgradig zum Stillstand kommt. Bildung, die wirklich vom Kind her gedacht wird, wie in den aktuellen Bildungsplänen gefordert, muss die Gesetzmäßigkeiten der kindlichen Entwicklung beachten. Solange die Entwicklungsfenster für die Ausreifung der den Sinnesorganen zugeordneten Gehirnareale noch offen sind und alle sinnlichen Eindrücke unmittelbar die Vernetzung des Gehirns formen, ist es schon aus physiologischen Gründen nicht zu verantworten, in vorschulischen Einrichtungen Bildschirmmedien einzusetzen. Da zählt auch nicht der Hinweis auf den angeblich wertvollen Inhalt kindergerecht gestalteter Sendungen. Der Hirnforscher Manfred Spitzer bemerkt dazu:

„Ein Fernseh- oder Video- oder Computerbildschirm ist auch dann für Kinder schädlich, wenn die tollste Kindersendung gerade läuft, der schönste Tierfilm oder das intelligenteste Lernprogramm.“

So sehr Waldorfpädagogik Wert darauf legt, in der Schule Medienkunde und Computerunterricht stattfinden zu lassen, so entschieden lehnt sie es ab, elektronische Medien in Krippe,Kindergarten und im Grundschulbereich als pädagogische Mittel einzusetzen – nicht aus Medienfeindlichkeit, sondern im Gegenteil um die spätere Medienkompetenz in bestmöglicher Weise vorzubereiten.

Entwicklungspsychologische Aspekte

Auch dann, wenn man die physiologischen Wirkungen ignoriert und nur auf die inhaltliche Seite der Medien blickt, sieht Waldorfpädagogik keine überzeugende Begründung, Medien in Krippe, Kindergarten und Grundschule als pädagogische Mittel einzusetzen. Denn es gibt genügend Untersuchungsergebnisse, die zeigen, dass Kinder auch in inhaltlicher Hinsicht den meisten Filmproduktionen nicht gewachsen sind. Erst im Grundschulalter stellt sich allmählich das Unterscheidungsvermögen zwischen medialer Fiktion und Wirklichkeit ein, und gleichwohl sind die Kinder auch dann noch wenig in der Lage, nebeneinander laufende Handlungsstränge und die entsprechenden Filmschnitte gedanklich einzuordnen. Erst mit etwa 12 Jahren können sie die Produktionen so aufnehmen wie die Erwachsenen, allerdings noch ohne die Fähigkeit, sich von Filminhalten zu distanzieren wie es Erwachsene vermögen. Erst in der Pubertätszeit, in der die Fähigkeit zu reflektierter, bewusster Steuerung der eigenen Impulse im ausgereiften Frontalhirn ihre organische Grundlage erhält, ist der junge Mensch von seinen Entwicklungsbedingungen her in der Lage, in eine bewusste und selbständig-kritische Auseinandersetzung mit den Medien und ihren Botschaften einzutreten und seine auf ganz anderen Feldern erworbenen Fähigkeiten erfolgreich auf die Medien anzuwenden.

Auch beim Computer hat sich ein verfrühter schulischer oder sogar vorschulischer Einsatz pädagogisch als kontraproduktiv erwiesen. So belegen verschiedene Studien, dass der computergestützte Unterricht keine Verbesserung der Lernergebnisse bewirkt, sondern sogar eine Tendenz zur Verschlechterung. So berechtigt das Ziel ist, junge Menschen dazu anzuleiten, komplexe Handlungs- und Reflexionsabläufe beim Umgang mit Medien zu vollziehen, so ist doch der Zeitpunkt entscheidend, an dem man damit beginnt: Werden die Heranwachsenden noch vor der Ausreifung der organischen Prozesse und des Frontalhirns dazu veranlasst, trifft die Forderung nicht auf die notwendigen Voraussetzungen, ja sie verhindert bei allzu frühem Einsatz sogar in hohem Maße den Erwerb dieser Voraussetzungen. Medienpädagogischer Unterricht sollte deshalb aus Sicht der Waldorfpädagogik nicht vor dem Erreichen der Pubertät beginnen.

2.4. Ausschnitt aus unserem pädagogischen Konzept der Waldorfkrippe

Die Kinderkrippe ist eine familienergänzende Einrichtung für Kinder vom ersten bis zum dritten Lebensjahr. Unsere Kinderkrippe möchte in einer liebevollen, warmen Atmosphäre einen Raum der Geborgenheit schaffen, in dem Werte wie Respekt und Achtsamkeit in der Gemeinschaft gelebt werden und eine Hülle bilden, die es dem kleinen Kind erleichtert, auf der Erde anzukommen. Die Kinder werden von drei pädagogischen Fachkräften betreut. Jedes Kind wird bei uns offen empfangen und liebevoll begleitet. Einen wichtigen Brückenpfeiler stellt dabei eine stabile, emotionale Beziehung zwischen dem Kind und der Erzieherin dar. Der Eingewöhnungsphase und der engen, vertrauensvollen Zusammenarbeit mit den Eltern wird eine große Bedeutung zugemessen. Der rhythmisch gegliederte Tagesablauf bietet dem Kind Gelegenheit, sich der Welt gegenüber zu stellen, soziale Kontakte zu knüpfen, aber auch sich zurückzuziehen. Die liebevoll in sanften Farben und mit natürlichen Materialien gestalteten Räume bilden eine äußere Hülle, in der sich das Kind in Ruhe entfalten kann. Gemeinsam werden die in biologischer Qualität angeboten Mahlzeiten eingenommen.

2.4.1.       Erlernen von Gehen, Sprechen und Denken

Das Kind erwirbt sich in den ersten drei Jahren diejenigen Fähigkeiten, die es zum Menschsein befähigen. Gehen, Sprechen, Denken, dies ist der Grundboden für die weitere Persönlichkeitsentwicklung. In unserem täglichen Umgang mit Kindern respektieren und unterstützen wir ihre individuellen Entwicklungsschritte und geben ihnen Raum und Zeit, sich entsprechend ihrer Interessen zu entwickeln. Liebevolle, respektvolle und geschützte Begleitung dieser Schritte unter Berücksichtigung von Besonderheiten sind uns hierbei wichtig.

Um das erste Lebensjahr herum hat sich das Kind der Schwerkraft entgegengesetzt, sich aufgerichtet und hiermit ist das Fundament vieler Bewegungsformen gelegt. Es ist von Wichtigkeit, die Kinder aus eigener Kraft und ihrem eigenen Tempo gemäß in die Aufrichte kommen zu lassen, um dann der Welt entgegenzulaufen. In unserer Kinderkrippe schaffen wir den Kindern größtmögliche Freiräume, in denen sie sich bewegen können. Es darf erfasst, erblickt, ergriffen, ertastet werden. Dies fördern wir durch verschiedenste naturbelassene Materialien, welche die Sinne ansprechen und anregen. Wir geben die Möglichkeit, die Räumlichkeit zu erobern und somit Lage, Entfernung, Form und Größe zu entdecken. Dieser Prozess wird von uns begleitet, unterstützt und angeregt, auch durch unser Vorbild als sich bewegender Mensch.

Mit dem Gehen hat sich das Kind eine neue Bewusstseinsebene erworben, es kann nun eigenständig auf die Welt zugehen. Im Alltag geben wir Anregungen zu verschiedensten Bewegungsmöglichkeiten, z.B. Treppen krabbeln oder steigen, Erhöhungen erklimmen, Fingerspiele in unserem Morgenkreis, rhythmische Bewegungen oder kleine Spielchen und in unserer Gartenzeit durch schaukeln, klettern, balancieren und graben. Hierbei ist es uns wichtig, einerseits den Kindern ausreichend Schutz zu geben, andererseits ihnen genügend Bewegungsfreiraum zu lassen. Auch auf feine Bewegungsformen wie Empfindungen achten wir besonders. Dies geschieht durch eine bewusste Haltung der Erzieherinnen, so spiegeln sich doch Sympathie, Hingabe oder Achtsamkeit in unserem ganzen Bewegungsablauf wieder.

Geschick und Koordination regen wir im alltäglichen Miteinander an, z.B. beim gemeinsamen Essen und dem Erlernen, das Besteck selbständig zu benutzen, oder beim Wickeln, in dem wir das Kind helfen lassen (z.B. beim Eincremen, Socken anziehen).

Nachdem das Kind sich in die Aufrichte erhoben hat, erwacht im zweiten Jahr die Sprache, die es befähigt soziale Kontakte zu knüpfen. Der Mensch ist auf drei Ebenen physisch, seelisch und geistig an der Sprache beteiligt. Dies wollen wir im Kind anregen. Auch dies tun wir in erster Linie durch unser Vorbild und durch deutliche, klare Sprache. Dabei steht erst einmal nicht unser gesprochenes Wort im Vordergrund, sondern die sich dabei vollziehenden Gesten, Handlungen und die innere Hinwendung zum Kind. Anregungen geben wir im täglichen, respektvollen und herzlichen Miteinander, in der Pflege, durch Lieder, Fingerspiele, Liebkoschen und Sprüche. Vom Sagen, Nennen bis zum Reden und Spielen mit der Sprache fördern wir hierdurch den Sprachgeist und die Sprachfreude. Rhythmisch gegliederte Sprachverse regen an. Babysprache oder intellektuelle Erklärungen unter- bzw. überfordern Kinder dieses Alters.

Im dritten Jahr entwickelt sich das Denken. Eng mit dieser Entwicklung verbunden sind die Ausgestaltung der Sprache, das Spiel und die Belebung der Phantasie. Vom Wiedererkennen bis zur völlig freien Erinnerung liegt ein langer Prozess. Im ersten Lebensjahr erwirbt sich der Säugling die Grundlagen des Merkens, z.B. durch das immer wiederkehrende Gesicht der Mutter.

Im zweiten Lebensjahr beginnt das rhythmische Gedächtnis. So werden Worte immer wieder erfragt oder wiederholt und Dinge müssen endlose Male benannt werden. Parallel dazu bildet sich das lokalisierende Gedächtnis, was bedeutet, dass die freie Erinnerung immer länger wird, auch an gestern und weiter zurückliegende Ereignisse wird sich erinnert. Auch lernt das Kind nun das zu behalten, was ihm über die Sprache mitgeteilt wird, kommt Aufforderungen nach und wird offen für Ermahnungen. Dies ist auch die Zeit, in der die kindliche Phantasie erwacht. In seinem Phantasiespiel kann das Kind sich mit der Welt verbinden und vielfältigste Denkstrukturen schulen. Freilassendes, vielfältiges Spielmaterial, ruhige und schöne Form und Farbgestaltung der Räume in einer nicht überladenen Umgebung bilden den angemessenen Raum für die Phantasie des Kindes. Um es den Kindern zu erleichtern, sich denkend in der Welt zurecht zu finden, geben wir ihnen klare Strukturen durch einen sich täglich wiederholenden Tagesablauf und einen gegliederten Wochen- und Jahresrhythmus. Durch unsere Verrichtungen als Vorbild kann das Kind Sinnhaftigkeit des menschlichen Tuns erleben und Ursache und Wirkung erfahren.

Gegen Ende des dritten Lebensjahres sind Gehen, Sprechen und Denken in seinen grundlegendsten Strukturen vom Kind ergriffen. Nun beginnt eine neue Phase, in der das Ich- Erleben im Inneren des Kindes immer stärker wird und eine Ich-Du-Beziehung entstehen kann.

2.4.2.       Sinnespflege

Das Ziel der Sinnesentwicklung ist ein geistig-seelisches und soziales Selbstbewusstsein, daher legen wir in unserer Krippe ein besonderes Augenmerk darauf. Im Säuglings- und Kleinkindalter ist die Pflege der BASALSINNE, der „selbstwahrnehmenden Sinne“ sehr wichtig. Damit sind folgende Sinne gemeint:

Der LEBENSSINN vermittelt die „erste menschliche Eigenwahrnehmung, durch die sich der Mensch als Ganzes in seiner Körperlichkeit nach bewusst wird“ (R. Steiner). Der Lebenssinn als solcher wird nicht bewusst wahrgenommen. Wir bemerken ihn nur dann, wenn er in seiner idealen Grundbefindlichkeit, „des Durchdrungenseins von Behaglichkeit“ im eigenen Körper gestört ist. Da dieses innerliche Sich-Wohlfühlen bis in die Seele ausstrahlt und eine Grundlage für die gesunde Entwicklung darstellt, ist es unsere Aufgabe als Eltern und Erzieher, die Bedingungen dafür zu schaffen. Durch liebevolle Begegnung, natürliche Nahrung und Kleidung und eine äußere Umgebung, die eine Hülle bildet, helfen wir dem Kind, sich in sich selbst zuhause zu fühlen.

Der EIGENBEWEGUNGSSINN ist der Sinn, durch den man, ohne sich bewusst zu sein, seine eigenen Bewegungen wahrnimmt. Dadurch werden äußerer Raum und Zeit wahrgenommen und das Kind lernt, die spontanen Reflexbewegungen in eine harmonische Gestaltung der Bewegungsabläufe zu führen. Das kleine Kind lernt z.B. die Augenbewegung vom zufälligen zum gezielten Blickkontakt zu führen oder vom Zappeln der Hände zum bewussten Greifen zu gelangen. Dazu benötigt es genügend Zeit und Gelegenheit.

Der TASTSINN bildet die Grundlage der Selbstwahrnehmung gegenüber der Äußerlichkeit. Über ihn werden Empfindungen bis in die tiefste Innerlichkeit erlebt. Deshalb sind eine liebevolle, achtsame Pflege und die Berührung mit natürlichen Materialien so prägend.

Der GLEICHGEWICHTSSINN dient der Integration der körperlichen Bewegungen. Denn jede Bewegung ändert die Statik des Körpers und diese muss neu ausgerichtet werden. Deshalb ist es wichtig, dem Kind durch vielfältige Bewegungsanreize ein großes Übungsfeld anzubieten (rauf, runter, drüber, unter ...).

Während der Entwicklung aller Sinne ist es in unserer heutigen Zeit aber nötig, die Kinder vor zu vielen Reizen zu schützen, denn eine Reizüberflutung führt zu Irritationen und Rückzug. Deshalb benötigt das Kind für seine gesunde, ganzheitliche Entwicklung eine Umgebung, die geprägt ist von Beständigkeit, Sanftheit und Verlässlichkeit. Dies wirkt bis in die feinste Differenzierung der Organe und des Gehirns und ist dispositions- und konstitutionsbestimmend für das ganze Leben.

2.4.3.       Pflege des kleinen Kindes

Leib, Seele und Geist sind beim kleinen Kind noch untrennbar miteinander verbunden. Alles, was wir an und mit dem kleinen Kind tun, prägt sich tief in den Leib des Kindes ein. So bilden die körperlichen Erfahrungen die Grundlage für die spätere seelische und geistige Entwicklung. Die Pflege des Kindes befriedigt das Grundbedürfnis nach intensiver Zuwendung und ungeteilter Aufmerksamkeit. Für das Kind wird zum einen erlebbar, dass die Welt, in die es geboren wurde, gut und schön ist, zum anderen vermittelt der pflegende Erwachsene: „Ich bin für dich da, du bist mir wichtig.“

Im ersten Lebensjahr übernehmen die Eltern diese Aufgabe, die nun mit dem Eintritt in die Kinderkrippe von der Erzieherin mit übernommen wird. Berührt werden gehört zum Alltag des Kindes und der respektvolle, geduldige und liebevolle Umgang prägt sich dem Kind tief ein. Mit diesem Hintergrund wird die Pflege des Kindes zu einem Zwiegespräch mit dem Kind. Die Bedürfnisse des Kindes stehen dabei im Vordergrund. Die Erzieherin bezieht das Kind in alle Tätigkeiten mit ein. Sie begleitet das Hochnehmen, Ausziehen, Wickeln und Anziehen mit Worten und greift dabei die Impulse des Kindes zur Mitarbeit auf. Dies erfordert vom Erwachsenen einen taktvollen, liebevollen Umgang mit dem Kind und genaues Beobachten und gezieltes Handeln.

Damit das Kind den innigen Kontakt mit seiner Erzieherin genießen kann, wird der Pflege des Kindes im Tagesrhythmus genügend Zeit eingeräumt. Der Wickelplatz befindet sich in einem Nebenraum, nur auf diese Weise finden Kind und Erzieherin die nötige Ruhe. Der Raum selbst vermittelt durch seine Gestaltung eine Atmosphäre, in der sich die Kinder geborgen und aufgehoben fühlen. Der intime und innige Kontakt bei der Pflege fördert das Kind in vielen Bereichen. Seine motorischen, sozialen und sprachlichen Fähigkeiten werden geschult. Auch sein Selbstwert- und Körpergefühl werden gefördert. Der liebevolle Umgang mit dem Kind lässt es „beziehungssatt“ werden. So kann es sich auf neue Erfahrungen mit sich selbst, mit anderen Kindern oder seiner Umgebung einlassen.

2.4.4.       Bindung und Eingewöhnung

Ein Kind im Alter von drei oder vier Monaten wird sich wahrscheinlich noch von jedem Erwachsenen – bekannt oder unbekannt – beruhigen lassen. Ganz anders wird dies allerdings bei einem Kind im Alter von acht Monaten sein. In der Regel wird es fremde Personen in dieser Phase ablehnen und sich von diesen nicht trösten lassen. In diesem Moment können nur noch die Mutter oder der Vater, also Menschen, die zu dem Kind eine tragfähige Bindung entwickelt haben, das Kind beruhigen. Wenn das Kind älter wird, vergrößert sich in der Regel der Kreis der Personen, zu denen es (Bindungs-) Beziehungen herstellt.

Mit Beginn des Krippenalltags erschließt das Kind einen größeren sozialen Raum, in dem es sich zukünftig bewegen wird. Da braucht es verfügbare Personen, zu denen es eine stabile und tragfähige Beziehung aufbauen kann. Ansonsten kann es nicht entspannt seine Umwelt erkunden und seinen Entwicklungsaufgaben nachgehen. Deshalb ist die wichtigste Zeit in der Krippe für jedes kleine Kind die Eingewöhnungsphase, in der dieser Bezugsaufbau geschieht. Dies ist entscheidend, wie wohl sich das Kind in seiner neuen Umgebung fühlen wird. Ziel von uns ist es, Ihrem Kind und Ihrer Familie einen Rahmen zu bieten, in dem es dieses Gefühl von Bindung, Vertrauen und Sicherheit erlebt. Deshalb wollen wir so behutsam wie möglich die Eingewöhnungsphase gestalten und Ihrem Kind die Zeit geben, die es benötigt. Folgende Kooperation und Beteiligung der Eltern ist unbedingt erforderlich:

  • Eltern müssen genügend Zeit einplanen (ca. 2-3 Wochen).
  • Es gibt eine ausführliche Elterninfo vor Beginn der Eingewöhnung.
  • Die Eingewöhnung findet individuell statt.
  • Die Anwesenheitszeit des Kindes in der Krippe wird täglich ausgedehnt.
  • In den ersten Tagen findet kein Trennungsversuch statt.
  • Prioritäten setzt das Kind, in dem es das Tempo angibt (kürzere/längere Eingewöhnungs- zeit)

Abgeschlossen ist eine gelungene Eingewöhnung erst, wenn die Erzieherinnen das Kind nachhaltig trösten und beruhigen können, das Kind also eine verlässliche Beziehung zu seinen Erzieherinnen aufgebaut hat.

2.4.5.       Tagesablauf

Der Tagesablauf wird gleichbleibend rhythmisch gestaltet.

2.4.6.       Wochen- und Jahresablauf

Der Wochenlauf gliedert sich durch die verschiedenen Frühstückszubereitungen. So wird jedem Wochentag eine bestimmte Variation zugeordnet (z.B. Montag: Knäckebrot usw. ...). Der Jahresablauf richtet sich nach den christlichen Jahresfesten. Im kleinen Rahmen, dem Alter der Kinder entsprechend, pflegen wir diese durch Lieder, Sprüche, Raumgestaltung und kleine Feiern.

2.5. Pädagogische Praxis

2.5.1.       Tagesablauf

Das Leben in unserem Kindergarten kann verglichen werden mit dem Leben in einer Großfamilie. Wir sorgen für einen rhythmisch gegliederten und geregelten Tagesablauf. So gliedert sich der Tag in verschiedene Elemente wie Freispielphasen im Haus und im Garten, gemeinsames Essen, rhythmisches Gestalten im Reigen und dem Lauschen eines Märchens oder einer Geschichte sowie einer Ruhezeit. Der rhythmisch gegliederte, sich immer wiederholende Tagesablauf wirkt wohltuend auf die Kinder und verleiht ihnen Orientierung und Sicherheit.

Das Freispiel in Haus und Garten

Den größten Teil des Tages verbringen die Kinder im schöpferischen, phantasievollen Spiel, dem die Waldorfpädagogik größte Bedeutung beimisst. Hier können sie zum Ausdruck bringen, was sie bewegt. Die Gruppenräume in unserem Kindergarten sind so gestaltet, dass sie den Kindern Klarheit, Ordnung und ein Geborgenheitsgefühl vermitteln. Aus Geborgenheit heraus kann das Kind schöpferisch tätig werden. Eine wichtige Voraussetzung für das Zustandekommen eines inhaltvollen reichen Spiels ist einerseits viel Zeit, Ruhe sowie freilassendes natürliches Material, das keinen bestimmten Zweck vorgibt.

Diese Spielmaterialien regen in ihrer Vielgestaltigkeit die Kreativität und die Sinne an. Es wird auf die Qualität der Materialien größter Wert gelegt. Mit Wurzeln, Holzklötzen, Aststücken, Tannenzapfen, Steinen, Muscheln, Schneckenhäusern, Kastanien, aber auch Tüchern aus Baumwolle, Wolle und Seide, Bändern, Brettern, Stangen, Spielständern und selbstgenähte Puppenbieten sich dem Kind unerschöpfliche Betätigungsfelder zur Entfaltung seines schöpferischen Potentials. Während des Freispiels im Hause haben die Kinder die Möglichkeit, künstlerische oder handwerkliche Tätigkeiten auszuüben, bei der Zubereitung des Frühstücks zu helfen.

Im zweiten Freispiel geht es hinaus in den Garten oder zu einem Spaziergang, unabhängig von der Witterung. Hier haben die Kinder die Möglichkeit im Sand zu spielen oder mit Erde, Wasser, Steinen, Brettern und Klötzen zu werken. Sie können klettern, balancieren, schaukeln, Seilspringen, Stelzenlaufen, hüpfen und springen. Andere helfen bei der Gartenarbeit. Durch wiederkehrende Spaziergänge lernen die Kinder die Umgebung kennen, erleben die Natur und den Wechsel der Jahreszeiten.

Der Reigen

ist ein musikalischer Teil des Tagesablaufes und findet täglich vor dem Frühstück statt. Hier spielen Rhythmus, Wiederholung, Vorbild und Nachahmung eine große Rolle. Der Reigen besteht aus Versen und Liedern, die sich thematisch an der Jahres- und Festeszeit orientieren und mit den Kindern gespielt werden. Dieser beinhaltet die Bewegung, die Sprache und den Rhythmus. Wesentlich ist die Bewegung im Raum, dies entspricht dem natürlichen Bewegungsdrang des kleinen Kindes. Hier erfährt es Polaritäten wie schnell und langsam, oben und unten, enges Zusammenrücken und weites Auseinanderströmen. Der Gesang und die Sprache begleiten die Bewegungen. Bei den Liedern erlebt das Kind unbewusst eine harmonisierende Wirkung, sie tragen insbesondere zu einer freudigen Stimmung bei, die sich positiv auf die Lebenskräfte der Kinder auswirkt. Bei der Sprache erlebt das Kind insbesondere die Laute, den Klang. Ohne dass es begrifflich den Inhalt verstehen muss, tragen die Lautklänge zum Verständnis bei.

Eine der wichtigsten Aufgaben ist es, das Leben selbst, die Arbeiten des Lebens im Reigen in den Kindergarten hineinzutragen. Auch Verhaltensweisen aus dem mitmenschlichen Bereich oder Beziehungen zu anderen Menschen (zum Beispiel das Bedanken für die vom Schuster gefertigten Schuhe) werden in den Reigen aufgenommen und gepflegt. Ebenso ist es mit den Beziehungen des Menschen zu den Tieren, Pflanzen und Steinen. Mit dem Reigen wird also auch das innige Verbundensein des Menschen mit der Natur in künstlerischer Weise kontinuierlich gepflegt und erhalten. Besondere Höhepunkte bilden dann die Festeszeiten, in denen - für das Verständnis der Kinder selbstverständlich nur ahnungsweise - die geistigen Hintergründe der Jahresfeste in die Gestaltung des Reigens einfließen.

Märchen, rhythmische Geschichten, Puppenspiel

Das Erzählen eines Märchens, einer rhythmischen Geschichte oder eines Puppenspiels mit einfachen Stehpüppchen beschließt den Vormittag. In ruhiger Atmosphäre, eingeleitet durch das Entzünden der Märchenkerze und dem Singen eines Liedes, werden die Kinder auf die kommende Geschichte eingestimmt. Die Märchen und Geschichten enthalten die in den Märchenbildern verborgene Weisheit. Sie bringen Worte, die den Sprachschatz des Alltags bereichern. Die wohlgefügten Sätze, der epische Bildreichtum sind ein wichtiges Mittel zur Sprachförderung. Das tägliche Hören dieser Geschichten und Märchen bereichert jedoch nicht nur den Wort- und Sprachschatz der Kinder, sondern regt auch die Phantasie und Gestaltungskraft an. Die Geschichten, Märchen und Puppenspiele, die die Erzieherin für ihre Gruppe aussucht, werden über einen längeren Zeitraum hinweg immer gleich erzählt, so dass sich die Kinder mit dem Inhalt und der Darstellung verbinden können.


Täglich sprechen wir mit den Kindern ein Gebet Rudolf Steiners:

„Vom Kopf bis zum Fuß bin ich Gottes Bild, vom Herzen bis in die Hände spüre ich Gottes Hauch, spreche ich mit dem Munde, folge ich Gottes Willen. Wenn ich Gott erblicke, überall, in Vater und Mutter, in allen lieben Menschen, in Tier und Blume, in Baum und Stein, gibt Furcht mir nichts, nur Liebe zu allem was um mich ist.“

2.5.2.       Der Wochenlauf

Die Woche erhält ihre Form dadurch, dass bestimmten Wochentagen bestimmte Aktivitäten vorbehalten sind. So haben auch künstlerische Tätigkeiten ihren festen Platz innerhalb einer Woche.

Kunst wirkt ganzheitlich auf die Entwicklung des Kindes. Durch die künstlerische Betätigung werden differenzierte und die Entwicklung des Kindes fördernde Sinneseindrücke vermittelt.

Folgende Tätigkeiten bieten wir den Kindern auf dieser Grundlage an:

  • Malen mit Wachsmalblöckchen und Aquarellfarben
  • Plastizieren mit Bienenwachs
  • Eurythmie

Die Eurythmie

Einmal wöchentlich kommt eine Eurythmistin der Waldorfschule in unseren Kindergarten. Diese Bewegungskunst wurde durch Rudolf Steiner entwickelt, um Musik und Sprache sichtbar werden zu lassen. Für die ersten sieben Lebensjahre ist eine harmonische Entwicklung des Bewegungssinnes besonders wichtig, denn das kleine Kind drückt seine seelischen Empfindungen ganz unmittelbar durch Bewegung aus. In der Kindergarteneurythmie werden die Bewegungen in einen Bezug von Innen- und Außenwelt gesetzt, ganz aus dem inneren Erleben und dem Vertrauen an die Kräfte der Nachahmung heraus. Das Kind kann sich mit den Urbildern der Welt verbinden, durch die Wiederholung werden die Lebenskräfte gestärkt. Der Rhythmus des Jahreslaufes wird ebenso aufgegriffen wie Form und Rhythmus der gestalteten Gedichte, Lieder, Märchen und Geschichten. Das Gefühl für Sprache, Musik und Rhythmus, für die eigene Körperlichkeit sowie die Ausbildung sozialer Fähigkeiten werden durch die der Eurythmie zugrunde liegenden stärkenden und harmonisierenden Kräfte gefördert.

Das Frühstück

Das gemeinsame Frühstück wird während der Freispielzeit zubereitet. Jedem Wochentag ist eine Speise zugeordnet, so dass sich ein Frühstücksplan ergibt, der sich wöchentlich wiederholt. Die Kinder helfen freudig mit beim Backen der Brötchen oder Schmieren der Brote, beim Schneiden von Obst und Gemüse. Hierbei wird auf die Qualität der Lebensmittel großer Wert gelegt. Gemeinsam wird nach dem Tischgebet das mit den Kindern zubereitete Frühstück gegessen. Das gemeinsame Essen, an einem schön gedeckten Tisch, mit Zeit und Ruhe hat einen hohen Stellenwert im Tagesablauf. Tischsitten und gute Gewohnheiten werden angelegt und gepflegt.

2.5.3.       Der Jahreslauf

Das kleine Kind in seiner Entwicklung und Entfaltung einerseits und der Jahreslauf andererseits, sind die großen Lehrmeister, an denen wir unser Tun im Kindergarten orientieren.

  • Hier schlagen wir vor, unsere Feste im Jahreslauf aus dem Leitfaden zu übernehmen!

Schulkinderarbeiten

In seinem letzten Kindergartenjahr – dem „Königsjahr“ – wird das Kind zum Vorschulkind.

Auch im Waldorfkindergarten werden die Vorschulkinder in besonderer Weise gefördert: Sie erlernen besondere Fähigkeiten im spielerischen und handwerklichen Bereich z.B. Stelzen laufen, Seilspringen, Weben etc. Im Laufe des Kindergartenjahres beginnen die Kinder mit der sogenannten „Schulkinderarbeit“: das Kind arbeitet über einen längeren Zeitraum an Handwerkstückchen in verschiedenen Techniken.

Zudem dürfen die Kinder gemeinsam ein Puppenspiel zur Aufführung bringen. Ab ca. Mitte Mai findet einmal wöchentlich das Schulkinderwandern statt.

Unsere Vorschulkinder übernehmen auch helfende Aufgaben wie z.B. Tisch decken, Speisen und Getränke verteilen, jüngeren Kindergartenkindern beim Anziehen helfen.

Abschließend sei noch einmal zu erwähnen, dass sich der rhythmisch gegliederte Tageslauf, die Auswahl der Reigen, Fingerspiele, Märchen und Geschichten, die Auswahl der künstlerischen und handwerklichen Tätigkeiten und aller Aktivitäten immer an den Kindern und der Gruppe orientiert und somit in der Freiheit der jeweiligen Gruppenleitung liegt.

 

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